Die Geschichte des Kühlschranks: vom einfachen Eisschrank zum hochmodernen Foodcenter

Die ersten Einbaukühlschränke Ende der 1960er Jahre waren immer Unterbaugeräte. Durch diese Lösung bekam die Einbauküche einen Umsatzanschub. (Foto: AMK)
Die ersten Einbaukühlschränke Ende der 1960er Jahre waren immer Unterbaugeräte. Durch diese Lösung bekam die Einbauküche einen Umsatzanschub. (Foto: AMK)

Der Kühlschrank revolutionierte vor gar nicht allzu langer Zeit den Alltag und ist heute selbstverständlicher Standard jeder Küche. Er ist der wahre Held, damit die Ware hält. Seine vergessene Kurzgeschichte lässt spannende und amüsante Aspekte zu Tage treten. Denn es vergingen Jahrtausende menschlichen Daseins ohne dieses heute in jeder Küche nicht mehr wegzudenkende Objekt.

Die Geschichte des Kühlschranks, hier notiert von der Arbeitsgemeinschaft Die Moderne Küche e.V. (AMK), ist so spannend wie ein Krimi. Seine Erfindung führte in der Küche zu einer echten Revolution, die viele traditionelle Abläufe buchstäblich auf‘s Eis legte. Der Kühlschrank veränderte die Eigenschaften der Menschheit wie kein zweites Gebrauchsgut und er änderte alles bis dahin gekannte über das Aufbewahren von Essen.

Mit kalter Schale: Von den Anfängen der Kühlung
Die menschliche Evolution hat stets zur Weiterentwicklung der Lebensverhältnisse der neuen Generationen geführt. „Jäger“ und „Sammler“ jagten und sammelten Nahrung und aßen diese direkt auf. Als unsere Vorfahren sesshaft wurden, änderte sich ihr Alltag. Sie wohnten in festen Behausungen und lagerten fortan Gegenstände und Dinge des täglichen und gelegentlichen Gebrauchs, darunter auch Lebensmittel. Schon in der Antike holten sich die Alpenanrainer Eisblöcke von den Bergen, um ihre Nahrung vor allem vor dem Verderben zu schützen. Doch wer nicht in Gletschernähe wohnte oder eskimoischer Arktisbewohner war, musste sich Jahrhunderte lang mit anderen Konservierungsmethoden abfinden. Es wurde gepökelt und eingekocht, getrocknet und geräuchert. Am Rande sei bemerkt, dass Speiseeis vermutlich im chinesischen Hochgebirge erfunden wurde, als eine Mischung aus Schnee und Früchten. Auch in norditalienischer Alpennähe lassen sich antike Speiseeisrezepte nachweisen. „Dolomiti“ ist ja heute noch der Name mancher Eisdiele.

In der Neuzeit der 1920er Jahre war der Kühlschrank in den USA bereits ein Verkaufsschlager doch hierzulande kaum gebräuchlich. Der zweite Weltkrieg sollte seine Verbreitung in Deutschland noch bis in die 1950er Jahre hinein verzögern. Die Europäer hatten sich allerdings über die Jahrhunderte kühle Aufbewahrungsorte geschaffen, die die modernen US-Amerikaner einfach übersprungen haben. In den Burgen des Mittelalters waren in den dicken Wänden Nischen mit schweren Holzklappen eingearbeitet, die die Temperatur niedrig hielten. Erdlöcher im Garten wurden zur Kühlung genutzt, ebenso wie nahe liegende Teiche und Gewässer. Der Hang, speziell der Deutschen übrigens bis heute zum Keller unterm Haus, eröffnete ebenfalls die Möglichkeit eines kühlen Raums zum Vorrat. Ob in Tongefäßen oder schweren hölzernen Fässern und Truhen, der damals nicht so wie heute gute gedämmte Keller war Jahrhunderte lang idealer Aufbewahrungsort für schneller verderbliche Lebensmittel. In den 1950er Jahren, als der Kühlschrank seine Erfolgsgeschichte auch in Deutschland und Europa begann, war es für die meisten Familien üblich, Käse, Butter, Milch und Fleisch im Keller zu lagern. In Etagenwohnungen hingegen diente die an die Küche angedockte kühle Speisekammer als Lagerraum. Niemals beheizt und stets mit einem Fenster versehen lagerten hier frisches Gemüse und Obst sowie Milcherzeugnisse und rohes Fleisch. Außerdem wurde vielerorts in den kalten Monaten einfach die Außenfensterbank der Küche als Kühlschrank benutzt.

Eis-Stangen-Handel
In europäischen Großstädten etablierte sich seit dem 19. Jahrhundert zunehmend der Handel mit dem Eisblock. Eisfabriken organisierten die systematische Versorgung vor allem großbürgerlicher Haushalte mit riesigen und schweren Eisstangen. Sie wurden mit Haken von den Lastkutschen gezerrt, bevor sie ihren Platz im sogenannten Eisschrank fanden, einer mit Dämmstoff und Holz ausgerüsteten Kiste, in deren Mitte frische Produkte lagerten. Immer mehr Haushalte leisteten sich diese luxuriöse Versorgung und genossen ihre so gewonnenen Konsumvorteile. Heute wird daher in einigen deutschsprachigen Regionen statt Kühlschrank immer noch Eisschrank gesagt.

Die Veränderung der Hausarbeit
Doch erst der Kühlschrank – fundamentaler Vorläufer war eine technisch-chemische Kältemaschine von Carl von Linde 1876 – änderte die Langlebigkeit der Lebensmittel und die Konsummuster der Hausfrauen durchgreifend. Bis in die 1950er Jahre war es beispielsweise üblich, täglich einzukaufen. Die meistgegessene Fleischsorte in Deutschland war der durchwachsene und gepökelte Speck. Dies konnte sich erst mit der massenhaft ansteigenden Verbreitung des Kühlschranks ändern, denn hier konnte nun auch leicht verderbliches frisches Geflügel und selbst zubereitetes Hackfleisch aufbewahrt werden. Das tägliche Einkaufen konnte reduziert werden, es reichte nun aus, zweimal in der Woche zu gehen und die Nahrung ohne Angst um Verderb im schicken Kühlschrank aufzubewahren. Manche Studien belegen, dass erst mit dem sich so veränderten Einkaufsverhalten die Idee der Vollsortimenter im Lebensmittelhandel aufkam und im Anschluss die Idee der Sonderangebote bei den Händlern erstmals entstand, um mit dem neuen Wettbewerber besser konkurrieren zu können. Eine grundlegende Änderung also, die bis heute üblich ist. Die Akzeptanz des Kühlschranks durch die Hausfrauen war übrigens direkt größer als die der Waschmaschine. Der Kühlschrank unterstützte das Ziel einer sparsamen Haushaltsführung, durch weniger Verderb, Vorkochen und Lagern und den Mehreinkauf von Sonderangeboten, und er ersparte nebenbei Zeit für das weniger werdende Einkaufen. Das elektrische Waschen erleichterte hingegen nur den Hausarbeitsprozess, nicht aber das Ergebnis „saubere Wäsche“ und stieß daher eher auf Skepsis. Alsdann erweiterte der Kühlschrank auch noch den Speiseplan. Kalte Platten, Buttercreme, Sahnetorten, Würstchen, exotisches Obst, Eier und Mayonnaise wurden Protagonisten und Zeugen des Lebensstils der 1960er Jahre.

Das Neuzeitdesign des Kühlschranks
Die Gestaltung der Nachkriegskühlschränke war durch das damals sehr angesagte „stromlinienförmige“ Design geprägt. Die Solitäre standen dabei meist auf Beinen, sahen sehr dickwändig und gewölbt aus und hatten runde Ecken. Ein überaus stabiler, demonstrativer Öffnungsgriff aus Chrom erinnerte visuell und auditiv an die Türöffner der US-amerikanischen Straßenkreuzer. Die immerwährende Frontfarbe dieser kompakten Kühlmaschinen war Weiß, das besonders für Sauberkeit und Hygiene stand. Daher war es damals undenkbar, dass ein so bahnbrechendes Gerät einfach als geschlossenes Küchenmöbel eingebaut wurde oder gar in einer anderen Farbgebung auf den Markt gekommen wäre. Man wollte den aufkommenden Wohlstand mit und durch den Kühlschrank sichtbar und reinlich repräsentieren. Seine Hauptverkaufszahlen erzielte er im Übrigen bis in die 1960er Jahre jeden Frühling, vor den sich ankündigenden wärmeren Sommermonaten. Diesen Beschaffungswunsch unterstützten die aufkommenden Kühlgerätehersteller mit saisonalen Werbemaßnahmen deutlich. Erst als der Kühlschrank in den 1970er Jahren zur Standardausstattung wurde, wurde er auch eingebaut und verschwand optisch. Neue technische Errungenschaften ermöglichten nun außerdem den fast fugenfreien Einbau von Geräten und Möbeln, so dass sich insgesamt die Einbauküche erfolgreich entwickeln konnte. Ende der 1950er Jahre hatten viele Geräte ein kleines, sogenanntes „Frosterfach“. Dieses Eiswürfelfach eignete sich aber nicht für die langfristige Aufbewahrung von gefrorenen Produkten. Tiefkühltruhen waren in dieser Zeit wahre Luxusgüter, denn sie brauchten Platz und hatten hohe Anschaffungskosten. Im Laufe der Jahre wurde das Volumen des Kühlschranks immer größer. Durch die Verbesserung der Isolierungen blieben die Geräte aber zunächst gleich groß und waren in der Regel Unterbau-Einbaugeräte der modernen Küche. Wieder durch US-amerikanische Vorbilder beeinflusst, kamen in den 1970er und 1980er Jahren hohe Kühl-Gefrier-Kombinationen auf den Markt. Ebenso verkleidet wie ihre kleinen Vorgänger, fanden sie einen integrierten Platz in der Einbauküche. Oben war – und ist – ihr Kühlschrank, während unten ein Gefrierschrank oft mit eigenem Motor Lebensmittel und Flüssigkeiten gefrieren lässt. Bequemlichkeit beim Ein- und Ausräumen, aber auch bessere Übersicht, die Erleichterung der Reinigung und der ästhetisch anspruchsvolle Eckabschluss der Küche war und ist somit gegeben. In den vergangenen 10 Jahren kamen allerdings wieder Solitäre als frei stehende Kühl-Gefrier-Kombinationen auf den Markt. Zum einen in zwar farbigem Retrodesign, zum anderen aber auch in voluminösen Großkühlschränken mit Edelstahlfront und Eiswürfelspender, die professionelle Gastronomie zum Vorbild haben.

Nach der Eiszeit – Kühltechnik heute
Die Kühltechnik war nach der Nutzung natürlichen Eises stets mit technisch-chemischen Prozessen verbunden. Erste Prototypen stanken nach Ammoniak und mussten zweimal die Woche abgetaut werden. Bis weit in die 1980er Jahre war Flurchlorkohlenwasserstoff (FCKW) das übliche Kühlmittel. Da es bei Freisetzung allerdings die Ozonschicht der Erdatmosphäre in hohem Maße beschädigt, wurde es seit Mitte der 1990er Jahre nicht mehr verwendet und ist seither in Neugeräten verboten. Moderne Kühlschränke haben heute moderne, energiesparende und umweltschonende Kühltechnik, die meist durch Kompressoren erzeugt wird. Kühlkompressoren sind fast geräuschlos und tauschen die warme Innenluft durch Verdampfung nach außen aus. Als Kühlmittel werden selbstverständlich unbedenkliche Kältemittel verwendet.

Sparsames Iglu
Ein wesentliches Thema beim modernen Kühlschrank ist heute seine Energieeffizienz, die in seinen Anfängen überhaupt keine Rolle spielte. Der Energieverbrauch ist zu einem wichtigen Kaufkriterium geworden. Bei der durchschnittlichen Lebensdauer eines Kühlschranks ergibt sich so eine echte Einsparungsmöglichkeit an den immer weiter steigenden Energiekosten eines Haushalts. Einher mit energiesparender Motorisierung geht eine bessere Isolierung und eine funktionale Zoneneinteilung. Diese Zonendefinition des Kühlraums ist als eine Empfehlung für den Nutzer zu verstehen, denn die unterschiedlichen Kältezonen sind für unterschiedliche Lebensmittel optimiert. So ist heute beispielsweise die kalte und luftfeuchtegeregelte Gemüseschublade ein kleines professionelles Kühlhaus. Manche Schubladen sind mittlerweile mit LED-Licht ausgestattet, um Obst und Gemüse auch bei geschlossener Tür zu beleuchten. So wird es vor seinem automatisch einsetzenden Vitaminabbau in Dunkelheit geschützt. Es gibt kleine Kühlschränke für’s Badezimmer, in denen teure Kosmetik, Medikamente oder auch ein Piccolo aufbewahrt werden können. Es gibt kleine mobile Geräte mit Akku für das Picknick im Grünen und sogar Kühlschränkchen für‘s Auto, die mit Niedervoltversorgung zum eisgekühlten Kaffee bis zum Reiseziel verhelfen und es gibt heute spezielle Kühlschränke zur Weinkühlung. Ein lustiges Kühlschrankaccessoire ist das sogenannte „Diätschwein“, welches schrecklich grunzt, wenn der Benutzer die Tür öffnet. So hat er alle Eile, diese schnell zu schließen, was die herausnehmbaren Mengen und den Energieverbrauch deutlich reduzieren.

Die wohl neueste Entwicklung zeigt Modelle, die durch einen digitalen Scan des Innenraums die Anzahl der Produkte erkennen. Auf das Smartphone übermittelt ergibt sich so eine Bestandsliste, die wieder einmal das Einkaufen rechtfertigt. So eine Liste könnte in Zukunft direkt an einen Lebensmittellieferanten gehen, der dann für das Auffüllen verantwortlich wäre. Der Kühlschrank hat das Zeug also immer noch, das Einkaufsverhalten zu verändern. Alles in allem lässt er keine Wünsche mehr offen. Und das Licht, das ist nachts auch noch drin.